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Antifa-Roman

55 | Der Mann aus Afrika V

Stefan öffnet den dreien die Tür. Neben ihm steht Isabella. Sie hat den Arm um ihn gelegt.

„Äh, du hier?“, fragt ihre Schwester überrascht.

„Ja, Marlene. Irgendwann muss ich es dir ja sagen“, antwortet Isabella strahlend.

„Du und Stefan? Seit wann? Wieso weiß ich davon nichts?“

„Es ist frisch. Es ist neu. Und es ist wunderschön. Du hast die beste Schwester der Welt.“ Stefan küsst Isabella zärtlich auf die Stirn.

„Können wir vielleicht trotzdem reinkommen?“, ruft Marc von hinten. „Es ist dann doch etwas kühl hier.“

Sie betreten die Villa. Petra kommt ihnen entgegen. Sie wirkt völlig entspannt.

„Setzt euch, es gibt Pasta. Der Tisch ist gedeckt.“

„Was?“, entgegnet Vera verwirrt.

„Ja, Isabella hat gekocht. Ich sagte doch, eine Traumfrau!“

„Macker“, erwidert sie lächelnd, und boxt ihm in die Seite.

Der Tisch ist wunderschön dekoriert. Im Kamin prasselt ein Feuer.

„Ich schmeiß mal den Müll in die Flammen.“ Marc zerrt die Mülltüte aus seinem Rucksack.

„Nein, jetzt wird erst einmal gegessen“, sagt Isabella, in der Hand einen riesigen Topf Spaghetti. Petra läuft hinter ihr mit einer Schüssel Tomatensoße. Elena trägt den Parmesankäse.

Sie setzen sich und schaufeln sich die Teller voll.

„Das sind die leckersten Spaghetti, die ich je gegessen habe“, bemerkt Elena schmatzend.

„Die Soße ist von mir“, ergänzt Petra stolz.

„Echt, ich dachte, so was können nur Italienerinnen!“ Marc nimmt sich noch eine Portion. Petra strahlt. Vera rollt die Augen. Manchmal nerven sie seine Sprüche.

„Außerdem wollte ich dir noch was sagen, Petra.“ Marc ist wegen der Nudeln kaum zu verstehen.

Petra erstarrt. Sie legt die Gabel zurück auf den Teller. Was kommt denn jetzt wieder?

„Weiß du eigentlich, dass wir das ohne dich gar nicht so hätten durchziehen können?“

Petra schaut ihn skeptisch an.

„Du warst unser Back-up. Du hast die ganze Zeit unsere Hausaufgaben gemacht. Mir hast du die Präsentation für Bio vorbereitet. Ich glaube, ich wäre zwei Noten abgerutscht ohne dich.“

Petra sieht verschämt auf ihren Teller.

„Marc hat recht.“ Vera hebt ihre Bierflasche. „Auf dich, liebe Freundin!“

„Auf Petra“, antworten die anderen.

Als alle mit dem Essen fertig sind, holt Vera ihr Handy aus dem faradayschen Käfig. Sofort erscheint eine Nachricht von Frolic auf Signal: „Ich habe Hunger, komm zum Essen!“ Es ist ein Code. Er bedeutet: umgehendes Treffen bei dem bekannten Griechen in Biebrich um 20 Uhr. Vera blickt auf die Uhr, es sind noch 30 Minuten. Das ist schaffbar.

„Marlene, wir müssen uns mit Frolic treffen!“

„Was wieso?“

„Er hat eine Notfall-Nachricht geschickt.“

„Ach, Scheiße, wir wollten doch feiern.“

„Müsst ihr da hin?“, fragt Marc.

„Tja, ich finde schon“, antwortet Vera. „Erst die Arbeit, dann das Feiern.“

„Im Keller findet ihr zwei E-Bikes, damit seid ihr am schnellsten.“

Stefan drückt Vera die Schlüssel in die Hand.

„Wir verbrennen derweil den Restmüll.“

Marc geht mit dem Müllbeutel zum Kamin.

„Das ist eigentlich eine ökologische Sauerei“, murmelt er.

Vera sprintet mit Marlene in den Keller, sie springen auf die Fahrräder und radeln lost. Um 20:03 Uhr betreten sie atemlos die Kneipe. Frolic sitzt schon vor einem alkoholfreien Bier. Er begrüßt sie freundlich.

„Toll, dass ihr gleich kommen konntet.“

„Wir sind eben Profis.“

Sie lachen erneut über Veras Running Gag.

„Ich habe mir die Fotos angesehen – danke übrigens – und etwas Interessantes entdeckt.“

Er zieht ein bedrucktes Blatt Papier aus der Jacke. Es ist das stark vergrößerte Bild einer Wade mit einer Tätowierung drauf.

„Was ist das?“, fragt Marlene.

„Erinnert ihr euch noch an den ermordeten Schwarzen und den Freispruch der angeklagten Nazis?“

Sie nicken.

„Es gab nur einen Hinweis auf den Täter. Eine Zeugin beschrieb genau dieses Tattoo auf dem Bild, einen Totenkopf mit einem Stahlhelm.“

„Das ist ja ein Ding. Woher hast du das?“

„Von euren Fotos. Der Typ stand eher hinten. Aber ich habe mir die Bilder ziemlich genau angesehen. Und beim Zoomen fiel mir das Tattoo auf. Et voilà.“

„Das ist ja der absolute Hammer!“

„Wir haben einen Mörder identifiziert.“

„Sieht so aus“, sagt Frolic. „Der Typ heißt Maik Jankowsky.“

„Und nun?“, will Vera wissen. „Hast du dir schon was überlegt?“

„Ja. In diesem Fall maile ich das Foto mit dem Tattoo und dem Namen an die Polizei.“

„Und wenn die nichts machen?“

„Dann informiere ich in einer Woche die Presse, politische Parteien und Antifa-Gruppen.“

„Und warum nicht gleich alle?“, fragt Marlene.

„Damit der Nazi nicht gewarnt wird. Ich will den Bullen die Chance geben, einmal ernsthaft zu arbeiten und das Schwein zu verhaften.“

„Und was sollen wir jetzt hier?“ Vera denkt an die anderen und dass die bestimmt schon ihr zweites Bier geöffnet haben.

„Hey, Vera, das ist doch voll nett“, sagt Marlene.

„Ich wollte euch das nur mitteilen. Ist für mich eine Frage der Fairness. Korrekter Umgang und so. Immerhin habt ihr diesen Stein ins Rollen gebracht. Da wollte ich nichts zu tun, ohne dass ihr davon wisst.“

„Ja, stimmt“, sagt Vera kleinlaut.

„Mich freut das übrigens sehr, dass der Tote vielleicht doch noch gerächt wird.“

„Uns auch! Dank‘ dir für die Info.“

„Gerne.“

„Hoffen wir, dass alles klappt. Ist es doof für dich, wenn wir gleich wieder fahren? Unsere Freunde warten.“

„Nein, ich habe auch noch was vor.“

Damit verabschieden sie sich voneinander.

Plötzlich dreht sich Vera um und läuft zu Frolic zurück. Er bezahlt gerade und schaut sie verwirrt an. „Hast du was vergessen?“

„Nein, aber könnte ich den Ausdruck haben?“

Wortlos greift er in seine Jackentasche und reicht ihn ihr. „Wollt ihr lieber aktiv werden?“

Vera schüttelt den Kopf. „Nein, ich brauche erst einmal eine Pause. Aber ich denke, dass es jemanden gibt, den das Foto freuen könnte.“

Als Vera und Marlene wieder bei Stefan ankommen, haben die anderen nur eine Flasche Bier Vorsprung. Die neue Nachricht sorgt für doppelte Freude.

„Ich bin unglaublich stolz auf uns“, sagt Elena. „Das waren superstressige Wochen, aber ich finde das großartig, dass wir so was durchgezogen haben.“

„Mir war das auch sehr wichtig!“ Isabella spricht leise. „Ich hatte euch ja schon mal gesagt, dass mir das alles sehr viel bedeutet hat. Jetzt wollte ich fragen, ob ich bei euch mitmachen darf?“

Die Runde schweigt erst einmal verblüfft.

Stefan spricht als Erster. „Ich darf nicht sagen, dass ich das genial fände. Als frisch Verliebter bin ich vorbelastet“

„Und ich darf auch nur ganz leise zustimmen, ich bin ja ihre Schwester.“

„Als Allerängstlichste von uns würde meine Zustimmung natürlich auch nicht zählen. Und ich hätte ja auch viel zu viel Angst vor meiner eigenen Meinung.“

„Und wir Verliebten dürften euch Verliebten wegen positiver Vorbelastung auch nicht das Einverständnis geben.“

„Dann bleibe ja nur noch ich als Stimmberechtigte“ sagt Elena fröhlich. „Und ich sage: Willkommen im Club der glorreichen sieben!“

Sie lachen und prosten. Es wird an diesem Abend spät. Sie schlafen schließlich alle bei Stefan.